„Ich spüre heute, und habe immer schon gespürt, daß eine Idee sich nicht auf soundsoviel Quadratmetern Wandfläche manifestieren muß. Was zählt, sind die Größenverhältnisse innerhalb des Gemäldes. Es kann viel Raum in einem kleinen Gemälde geben. Aber manchmal verlangt der Raum, den man sucht, nach einer großen Fläche. Ich habe kleine Gemälde gemacht ebenso wie große.“[1]

Dieses 1964 entstandene Werk zeigt beispielhaft, wie sich selbst auf begrenzter Fläche ein weiter Raum öffnen kann – und veranschaulicht zugleich Helen Frankenthalers charakteristische Soak-Stain-Technik. Dabei schüttete die Künstlerin verdünnte Farbe auf eine ungrundierte, flach auf dem Boden liegende Leinwand, sodass sich Farblachen bildeten, die in das Gewebe einsickerten. Seit 1962 verwendete Frankenthaler verdünnte, wasserlösliche Acrylfarben, die ihr größere gestalterische Freiheit boten als die zuvor mit Terpentin verdünnten Ölfarben.

[1] Aus: „Ein Gespräch, Helen Frankenthaler und Julia Brown“, in: After Mountains and Sea: Frankenthaler 1956–1959, Ausst.-Kat. Guggenheim New York/Bilbao/Berlin, Ostfildern-Ruit 1998, S. 29–49, hier S. 46.

Helen Frankenthaler (1928–2011)

Untitled, 1964

Aktuell ausgestellt: Ja (Helen Frankenthaler moves Jenny Bronsinksi, Ina Gerken, Adrian Schiess)

Material: Acryl auf Leinwand
Größe: 50 cm x 51 cm
Inv-Nr.: B 625
Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn; Copyright: Helen Frankenthaler Foundation, New York

Schlagworte:

Provenienz

Sotheby’s New York 2025
Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, 2025

Ausstellungsliste

Helen Frankenthaler moves Jenny Brosinski, Ina Gerken, Adrian Schiess, 26.10.2025–22.02.2026

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Leuchtende Farben – Blau, Rot und Gelb – kontrastieren auf der Leinwand und bilden spannungsreiche Farbräume. Die Flächen variieren zwischen weich umrahmenden und tropfenförmig auslaufenden Strukturen. Eine zentrale, dunkelblaue Form wird nach unten von einer roten Farblache begrenzt und nach oben von einer gelben Fläche umfangen. Sie findet ein hellblaues Echo am rechten Bildrand. Ebenso wesentlich sind die unbemalten Bereiche, in denen die rohe Leinwand sichtbar bleibt. Diese vermeintliche Leere ist ein zentrales kompositorisches Prinzip. Frankenthaler selbst bemerkte dazu: „Oft lasse ich Flächen roher, ungrundierter Leinwand unbemalt. Dieser ‚negative‘ Raum spielt ebenso eine aktive Rolle wie der ‚positive‘ bemalte Raum. Die negativen Räume haben ihre eigenen Formen und sind nicht leer.“[1]

[1] Ebd., S. 43.

Literaturverweise

„Ein Gespräch, Helen Frankenthaler und Julia Brown“, in: After Mountains and Sea: Frankenthaler 1956–1959, Ausst.-Kat. Guggenheim New York/Bilbao/Berlin, Ostfildern-Ruit 1998, S. 29–49, hier S. 46.