Arial, Calibri oder Helvetica – wer kennt diese Schriftarten aus dem täglichen Gebrauch nicht? Sie eignen sich für Texte, Briefe und E-Mails. Was aber, wenn man eine spezielle Schrift für ein Kunsthaus benötigt? Wenn man Zeichen und Buchstaben braucht, die die Leserschaft angenehm findet, Aufmerksamkeit wecken und gleichzeitig die unverwechselbare Markenkommunikation fördern?
Fabian Dornecker stammt aus dem Rhein-Main-Gebiet, hat in Wiesbaden Kommunikationsdesign studiert und seine Bachelor-Arbeit über Typedesign geschrieben. Im Hauptberuf arbeitet Dornecker in einer Kommunikationsagentur. Daneben ist er selbstständiger Schriftdesigner mit seinem Leipziger Unternehmen „La Bolde Vita“. Oft wird er für einzelne Kampagnen oder konkrete typografische Wünsche angefragt. Beim Museum Reinhard Ernst galt es über eintausend Zeichen zu entwickeln. Hinzu kommen Piktogramme für das Leitsystem des Museums, die ebenfalls in den Font eingebettet werden. Die Wiesbadener Designagentur Q, die das Museum Reinhard Ernst betreut, schlug die Schrift „Residenz Grotesk“ von Fabian Dornecker vor – und begeisterte das mre-Team mit dieser Wahl. Allerdings musste die Ausgangsschrift für die besonderen Anforderungen noch umfangreich überarbeitet werden. So entstand die „mre Grotesk“, eine eigene Schrift für unser Museum. Im Telefoninterview gibt uns der Gestalter einige Informationen:
Was macht die Schrift für das Museum Reinhard Ernst einzigartig?
Die mre Grotesk orientiert sich an zeitgemäßen Auftritten moderner Kunstmuseen. Die klare und unaufdringliche Formensprache gibt der Kunst genügend Raum zum Wirken. Gleichzeitig hebt sie sich durch Details von allzuoft gesehenen Klassikern ab und bietet mit vielen alternativen Buchstaben die Möglichkeit für punktuellen Ausbruch in der Gestaltung.
Wie lange haben Sie an der mre Schrift gearbeitet?
An der mre Grotesk habe ich etwa anderthalb Jahre gesessen – mal mehr, mal weniger intensiv. Da die Schrift ohne Serifen oder dekorative Elemente auskommt, ist das Ausbalancieren von Kurven und Proportionen für ein harmonisches Gesamtbild umso wichtiger. Es konnte also schon einmal vorkommen, dass ich einen halben Tag nur für eine Kurve eines einzelnen Buchstabens oder Zeichens verwendet habe.
Was muss man bei Erfindung von Schriften generell berücksichtigen?
Die Anwendungsgebiete sind sehr wichtig. Wenn eine Schrift sowohl im großen Displayeinsatz – wie für Poster, Ausstellungen, Außenwerbung – als auch im kleinen Texteinsatz – für kurze Fließtexte, Screenreader und Mobiltelefone – verwendet werden soll, muss man spezielle Schnitte genau für diese Zwecke optimieren sowie Formen und Abstände anpassen.
Was fasziniert Sie an der Schriften-Entwicklung?
Ich finde es spannend, wie man der Kommunikation dadurch noch einmal eine neue Ebene geben kann. Schrift ist ein Instrument für die Kundenansprache. Durch die Detailarbeit, die perfekte Form und Aussage einer Schrift kann ich Gefühle auslösen. Dicke, gerade Buchstaben wecken andere Emotionen als kursiv geschwungene. In der Agentur wird die ausgewählte Schrift dann mit Inhalten gefüllt und damit erneut eine Wirkung bei der Leserschaft ausgelöst. Die Schrift ergänzt und perfektioniert die Arbeit der Gestaltungsagentur.
Durch die Kalligraphie und die vielen Zeichen in der asiatischen Sprache würde man denken, dass viele Schriftdesigner aus der fernöstlichen Gegend kommen. Warum ist dem aber nicht so?
Da die asiatischen Sprachen so unglaublich viele Zeichen haben, ist es einer Einzelperson fast nicht möglich, eine komplette Schriftreihe zu entwickeln. Daher findet man diesen Beruf eher in Europa oder Amerika. Der moderne Buchdruck kam ja auch aus dem Westen nach Asien.
Vielen Dank für das Gespräch!