Nach ihrem Kunststudium in Budapest und einem Studienaufenthalt in Rom flüchtete Judit Reigl im Jahr 1950 nach Paris. Ihr Studienfreund Simon Hantaï nahm sie auf. Schnell zählten sie zur aufstrebenden informellen Kunstszene in Frankreich. Durch Hantaï lernte sie André Breton, den Wortführer der Surrealisten, kennen. Von der surrealistischen Technik der écriture automatique begeistert, begann Reigl mit ihrem ganzen Körper zu arbeiten. Sie füllte den Bildraum mit Bewegung, Rhythmus und Tempo und schleuderte Farbeimer auf großformatige Leinwände. In der Serie Éclatement (dt. Ausbruch) ab 1955 arbeitete sie erstmals mit Industriepigmenten und Leinöl. Diese warf sie mit ihren Händen auf die Leinwand und verteilte sie unter Zuhilfenahme verschiedener Werkzeuge wie Metallschabern aus dem Zentrum des Bildes über die Oberfläche.

Judit Reigl (1923–2020)

Éclatement, 1955

Aktuell Ausgestellt: Ja (Raum: Gegen den Strich)

Material: Öl auf Leinwand
Größe: 193,4 x 208 cm
Inv-Nr.: B_221
Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn

Schlagworte:

Provenienz

Vorbesitz: Musée Fabre, Montpellier
Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, Galerie Jean Fournier, Paris, 2011

Ausstellungsliste

Einzelausstellung:
2010
„Judit Reigl – Retrospective Exhibition“, MODEM Centre for Modern and Contemporary Arts, Debrecen, Ungarn

Gruppenausstellungen:
2007
„La couleur toujours recommencée – Hommage à Jean Fournier“, Musée Fabre, Montpellier, Frankreich

Mehr erfahren

Nach ihrem Studium an der Royal Academy of Fine Arts in Budapest, verbrachte Judit Reigl dank eines Aufenthaltsstipendiums zwei Jahre in Rom. 1948 besuchte sie die Biennale in Venedig und sah die dort von Peggy Guggenheim gezeigten Arbeiten von Jackson Pollock und Willem de Kooning. Die junge Malerin war begeistert und verfolgte fortan die Entwicklung der amerikanischen Kunst. Als sie besorgt um die erkrankte Mutter im gleichen Jahr nach Budapest zurückkehrte, war die kommunistische Machtübernahme in Ungarn faktisch abgeschlossen. Nach acht gescheiterten Fluchtversuchen erreichte sie Paris im Jahr 1950. Ihr Studienfreund Simon Hantaï nahm sie auf. Schnell zählten sie zur aufstrebenden informellen Kunstszene in Frankreich: Sie bewegten sich im engsten Kreis um Kunstkritiker Michel Tapié und stellten 1956 gemeinsam mit Georges Mathieu aus. Durch Hantaï lernte sie André Breton, den Wortführer der Surrealisten, kennen, der das Vorwort im Katalog zu ihrer ersten Ausstellung schrieb.

Von der surrealistischen Technik der écriture automatique (dt. automatisches Schreiben) begeistert, begann Reigl mit ihrem ganzen Körper zu arbeiten. Sie füllte den Bildraum mit Bewegung, Rhythmus und Tempo und schleuderte Farbeimer auf großformatige Leinwände. In der Serie Éclatement (dt. Ausbruch) ab 1955 arbeitete sie erstmals mit Industriepigmenten und Leinöl. Diese warf sie mit ihren Händen auf die Leinwand und verteilte sie unter Zuhilfenahme verschiedener Werkzeuge wie Metallschabern ausgehend vom Zentrum des Bildes über die Oberfläche. Ihre ausdrucksstarken Gemälde können als Ausbrüche oder Explosionen von Massen gelesen werden. Sie visualisieren die pure Energie, die die Künstlerin durch die wiedererlangte kreative und individuelle Freiheit in Paris erfuhr.

Auf der Suche nach neuen Methoden zur Bildfindung erhielt sie wichtige Impulse aus Ostasien: „One of the most magnificient answers to the quest for depth: The Chinese sense of space. Unlike Western perspective, which narrows down, Chinese perspective opens up on infinity, both plunging downwards and ascending.“ [1]
Von 1963 an bis zu ihrem Tod im Jahr 2020 arbeitete sie in Marcoussis, im Südwesten von Paris, stetig an der großen Bandbreite ihres Gesamtœuvres, das sowohl abstrakte als auch figurative Arbeiten umfasst.

Literaturverweise

[1] Reigl in Conversation with Christian Sorg: „Evident/Cache/Actualise/Latent“, Documents sur, No. 2/3, Oktober 1978, S. 34.