Wolfgang Tillmans abstrakte fotografische Serie basiert auf Experimenten, die ohne Kamera in der Dunkelkammer zwischen Zufall und gezielter Manipulation der Belichtung des Fotopapiers entstehen. Der faszinierende und monumentale Eindruck von Farbe lässt die Freischwimmer malerisch wirken. Anders als der Titel suggeriert, entstehen die Strukturen im Bild nur mit Licht, das Tillmans mit seinen Händen bewegt, nicht durch tatsächlich fließende Chemikalien. Die zarten, fast schwarzen Zeichnungen im Bild, die sich in dem überwältigenden Grün an einigen Stellen wolkenähnlich verdichten und auflösen, scheinen das Fließen des Lichts selbst zu zeigen.

Wolfgang Tillmans (*1968)

Freischwimmer 193, 2009

Aktuell Ausgestellt: Ja (Raum: From Zero to Action)

Material: C-Print
Größe: 227 x 171 cm
Inv-Nr.: B_407

Schlagworte:

Provenienz

Vorbesitz: Maureen Paley, London
Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, Sotheby’s, London, 2017

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Wolfgang Tillmans beginnt seine ersten abstrakten fotografischen Experimente, die komplett in der Dunkelkammer entstehen, schon 1998, und setzt die so entstehenden Serien bis heute fort. Der faszinierende und monumentale Eindruck von Farbe lässt die Freischwimmer malerisch wirken, und auch der Entstehungsprozess lässt sich als ein Malen mit den Mitteln der Fotografie beschreiben. Anders als der Titel Freischwimmer suggeriert, entstehen die Strukturen im Bild aber nur mit Licht, das Tillmans mit seinen Händen bewegt, nicht durch tatsächlich fließende Chemikalien. Auch die fließenden Strukturen im Bild wirken wie eine physikalische Entsprechung von Flüssigkeit – ein Spiel mit dem Medium Fotografie, mit dem wir automatisch ein Abbild der Realität verbinden.

Zwischen Zufall und gezielter Manipulation der Belichtung des Fotopapiers entstehen jeweils ganz eigene Bildwelten, die Tillmans anschließend einscannt und in enormer Größe druckt. Die zarten, fast schwarzen Zeichnungen im Bild, die sich in dem überwältigenden Grün an einigen Stellen wolkenähnlich verdichten und auflösen, scheinen das Fließen des Lichts selbst zu zeigen. Sie können auch an Körperbehaarung erinnern, eine Assoziation die Tillmans oft bewusst nutzt oder verstärkt, indem er sie neben anderen Fotografien von tatsächlichen Körpern zeigt. Die Fotografie selbst, als Träger von Licht und Farbe wird bei Tillmans immer wieder thematisiert:
„Ich denke ein Blatt Fotopapier (…) immer als ein Objekt. Das war immer mein Grundverständnis von dem, was Fotografien sind; ich denke Bilder nicht als etwas Körperloses.“ [1]

Die Bewegung, die über das große Format wirbelt, ist auch im Titel assoziiert: dem Freischwimmer, das Abzeichen des Schwimmverbands, das Menschen die Schwimmfähigkeit attestiert. Freiheit und Bewegung spielen auch politisch in Tillmans Arbeit eine große Rolle, als Antwort und Widerstand gegen die beschränkenden Kategorien einer Welt, die auf vielen Ebenen immer neue Grenzen errichtet.

Literaturverweise

[1] Wolfgang Tillmans, ‘Paper Drop / Lighter’ in: Wolfgang Tillmans, hrsg. von Jan Verwoert et al., London 2014, S. 154.