Inoue Yūichi galt als Revolutionär und Erneuerer der japanischen Schreibkunst des 20. Jahrhunderts. Bereits durch die japanische Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkriegs bildete sich in Japan eine Avantgarde-Bewegung heraus, die Austausch mit der internationalen Kunstszene suchte.

Yūichi rückte einzelne, aus dem literarischen Kontext losgelöste sino-japanische Schriftzeichen programmatisch ins Blickfeld (in diesem Fall Hana, dt. Blume, siehe auch Hügel I., 1967), und sprengte die Grenzen herkömmlicher Kalligrafie. Das hoch konzentrierte Schreiben des Kalligrafen am Tisch verlegte Yūichi auf den Boden und knüpfte damit an die dynamische Maltechnik des Action Paintings an: In einer sehr kraftvollen, den ganzen Körper einnehmenden Bewegung zog er mit einem großen Dachshaarpinsel die Schriftzeichen mit Tusche auf Papierbögen nach.

Inoue Yūichi (1916–1985)

Hana (Flower), 1967

Aktuell Ausgestellt: Ja (Raum: Gegen den Strich)

Material: Tusche mit Klebstoff auf Papier auf Holz
Größe: 152 x 244 cm
Inv-Nr.: A_267

Schlagworte:

Provenienz

Vorbesitz: Whitestone Gallery, Tokyo; Privatsammlung, Asien; Anon. Sale, Christie’s, Hong Kong; Privatsammlung
Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, Christie’s, Hong Kong, 2020

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Inoue Yūichi galt als Revolutionär und Erneuerer der japanischen Schreibkunst des 20. Jahrhunderts. Bereits durch die japanische Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkriegs bildete sich in Japan eine Avantgarde-Bewegung heraus, die den Austausch mit der internationalen Kunstszene suchte. Eine besondere Rolle spielte dabei die 1952 von Yūichi, Morita Shiryu und anderen Schreibkünstlern gegründete Gruppe Bokujinkai („Tusche-Menschen-Vereinigung“), die mit der Zeitschrift Bokubi („Tusche-Kunst“) ein Forum zur Auseinandersetzung sowohl mit neuen westlichen Kunstströmungen als auch mit japanischer und chinesischer Schreibkunst bot. Darin diskutierten sie die Frage nach der Zukunft der Kalligrafie und ihrem Platz in der aktuellen Kunstwelt: „Calligraphic art, which has preserved a long tradition in a remote corner of the East, has finally come into view of the world. But will it resurge as a truly modern art, or will it be abandoned and self-destruct, after the progressive artists absorb it? We are now standing at this crossroad. Seeing this, we cannot lose so much as one day. […] First of all, we believe that liberating ourselves from old conventions is the first step towards calligraphy’s emancipation and its establishment as a modern art. Each of us might have a different opinion on how to do this, but we came together based on this fundamental attitude.“ [1]

In der Gruppe nahm Yūichi eine Sonderstellung ein. Dadurch, dass er einzelne, aus dem literarischen Kontext losgelöste sino-japanische Schriftzeichen programmatisch ins Blickfeld rückte (in diesem Fall Hana, dt. Blume, siehe auch Hügel I., 1967), sprengte er die Grenzen traditioneller Kalligrafie. Das hoch konzentrierte Schreiben des Kalligrafen am Tisch verlegte Yūichi auf den Boden und knüpfte damit an die dynamische Maltechnik des Action Paintings an: In einer sehr kraftvollen, den ganzen Körper einnehmenden Bewegung zog er mit einem großen Dachshaarpinsel die Schriftzeichen mit Tusche auf Papierbögen nach. Seine Setzung machte aus dem Zeichen ein Bild – eine Absicht, die er durch das Aufkaschieren der Zeichenbögen auf Holz zusätzlich betonte. Das geschriebene Wort wird zum Bild nach westlichem Verständnis.

Literaturverweise

[1] Manifest der in Bokujinkai-Gruppe, abgedruckt in: Eugenia Bogdanova-Kummer: Bokujinkai: Japanese calligraphy and the postwar avant-garde, Leiden, Boston 2020, S. 47.