Nach anfänglich gegenständlich-figurativen Porträts und Landschaften bricht Fred Thieler in den 1950er-Jahren radikal mit seinem bisherigen Stil und experimentiert fortan mit gestisch-dynamischen Farbwelten: Er entwickelt Verfahrensweisen, in denen er verschiedenste Farbmaterialien kombiniert, die sich auf der Leinwand entweder abstoßen oder vermischen. Thieler gießt Farbe über bereits aufkaschierte Formen, um wiederum Papier- oder Stoffteile erneut zu „verkleben“. Trotz des Agierens und Reagierens auf den Malvorgang blieb der Verlauf der Farbe offen. Thieler sagte selbst, dass ihm „eigentlich das Bild den Vorgang des Malens“ [1] diktiere.
Bis zu den 1980er Jahren sind seine großen Leinwände so beschaffen, dass er sie selbst bewegen kann. Das Klappbild, ungleich mit der umklappbaren rechten Bildhälfte ist eine Besonderheit, markiert es doch eine bis zu diesem Zeitpunkt größte zusammenhängende Leinwand von Fred Thieler.

Fred Thieler (1916–1999)

Klappbild, ungleich, 1965

Aktuell Ausgestellt: Ja (Raum: Malerei maßlos)

Material: Mischtechnik auf Leinwand
Größe: 184,5 x 495,5 cm
Inv-Nr.: B_050
Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn

Schlagworte:

Provenienz

Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, Galerie Maulberger, München, 2009

Ausstellungsliste

Einzelausstellungen:
2014
“Fred Thieler. Malerei“, Museum Küppersmühle, Duisburg
1988
„Fred Thieler“, Kunstkreis im Rolf Flemes Haus, Hameln
1986
„Fred Thieler, Arbeiten von 1940–1986“, Akademie der Künste, Berlin; Saarland Museum, Moderne Galerie, Saarbrücken
1974
“Fred Thieler“, Deutsche Oper, Berlin

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In seinem gegenständlichen Frühwerk, das 1942 seinen Anfang nimmt, beschäftigte sich Fred Thieler zunächst mit konventionellen Sujets. Sein Plan, Medizin zu studieren, zerschlug sich im Jahr 1942 bereits nach wenigen Semestern wegen der jüdischen Herkunft seiner Mutter. Stattdessen fing Thieler in der ehemals von Hans Hoffmann gegründeten Malschule in München an, sich mit Malerei auseinanderzusetzen. Nach anfänglich gegenständlich-figurativen Porträts und Landschaften brach er in den 1950er-Jahren radikal mit seinem bisherigen Stil und experimentierte fortan mit gestisch-dynamischen Farbwelten, die ihn als einen der Hauptvertreter des deutschen Informel ausweisen.

Dabei erarbeitete er sich unterschiedliche Verfahrensweisen, von Spachteltechniken bis zu Farbschüttungen auf Leinwände, die er zuvor auf dem Boden platziert hatte. Im Prozess kombinierte er unterschiedliche Farbmaterialien, die sich entweder abgestoßen oder vermischt haben. Mitte der 1960er Jahre eröffnete ihm das Verfahren von Collage und Dé-Collage einen neuen technischen Zugang zur Malerei: „[Da sich, d. Verf.] die Farbe durch das Gießen auf der Leinwand fast unkontrolliert ausbreitete […] kam um 1964 herum das Hineinarbeiten von Collagen [hinzu, d. Verf.], das heißt nicht von vorgemalten Stücken, denn diese Collagen sind […] entweder rein weißes Papier oder reine Leinwand, die nur in Stücken vorher auf die Grundleinwand gelegt wurde – und so den Fluß der Farbe in gewisser Weise beeinflußte […]. Die Collage-Elemente unterbrauchen dann den freien Fluß der Farben.“ [1] Thieler erweiterte die Technik, indem er über eingeklebte Formen wiederum Farbe goss, die Papier- oder Stoffteile mit der Leinwand „verkleben“ ließ. Zudem traktierte er die Leinwand durch Falten, Pressen, Quetschen und decollagierte bereits integrierte Papierstücke wieder. Wenn Thieler sagt, ihm diktiere „eigentlich das Bild den Vorgang des Malens“, [2] wird deutlich, wie offen der Verlauf der Farbe, trotz Agierens und Reagierens des Künstlers, war.

Bis zu den 1980er Jahren sind seine großen Leinwände so beschaffen, dass er sie selbst bewegen konnte. Es sind leichte Leinwände, die er ohne großen Aufwand in seinem Atelier auf Nägel hing. Malereien, die eine Breite von 4 m überschreiten, verteilte er daher häufig auf Einzeltafeln in Diptychen oder Triptychen wie zum Beispiel das Triptychon 73. Das Klappbild, ungleich mit der umklappbaren rechten Bildhälfte ist eine Besonderheit, markiert es doch eine bis zu diesem Zeitpunkt größte zusammenhängende Leinwand von Fred Thieler.

Literaturverweise

[1] Fred Thieler, Monographie und Werkverzeichnis; Bilder von 1942–1993, hrsg. von Andrea Firmenich und Jörg Merkert, Köln 1995, S. 15.
[2] ebd.