Leuchtende Farben in scharf voneinander abgegrenzten Flächen und klaren Formen bestimmen Lee Krasners Bilder der frühen 70er Jahre, so auch Peacock. Die Malereien sind wie oft bei Krasner ein Bruch mit dem Stil vorangegangener Arbeiten, sie erfindet sich in ihrer künstlerischen Praxis immer wieder neu. Kurz vor ihrem Tod rückblickend endlich auch als Pionierin des Abstrakten Expressionismus anerkannt und gefeiert, entzieht sich ihr Werk in seiner Gesamtheit daher eindeutigen kunsthistorischen Kategorisierungen. In einer Zeit, in der gesamtgesellschaftlich ebenso wie im Kunstdiskurs Frauen keine Autonomie zugestanden wurde, ist Lee Krasners künstlerische Eigenständigkeit bis heute radikal.

Lee Krasner (1908–1984)

Peacock, 1973

Aktuell Ausgestellt: Ja (Raum: The Beat Goes On)

Material: Öl auf Leinwand
Größe: 209 x 209 cm
Inv-Nr.: B_511
Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn

Schlagworte:

Provenienz

Vorbesitz: Malborough Gallery, New York; Christie’s, New York, 2004; Meredith Long & Company, Houston, Texas, 2004; Privatsammlung, Texas, 2005
Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, Christie’s, New York, 2020

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Peacock, 1973 gemalt, gehört zu einer späten Werkserie Lee Krasners, die im selben Jahr erstmals in der Marlborough Gallery in New York von Donald McKinney gezeigt wurde, später dann in Krasners großer Einzelausstellung „Large Paintings“ im Whitney Museum of Modern Art von Marcia Tucker kuratiert.

Die neuen Malereien, wie oft bei Krasner ein Bruch mit dem Stil vorangegangener Arbeiten, stießen auf große Begeisterung. Leuchtende Farben in scharf voneinander abgegrenzten Flächen und klaren Formen bestimmen alle Bilder, so auch Peacock. Die sich auffächernden Farben in der rechten oberen Bildhälfte könnten an den namensgebenden „Pfau“ erinnern, Krasner betitelte ihre Bilder immer erst nach dem Malprozess. Die Bilder wirken, wie die Künstlerin selbst schreibt, „schärfer im Fokus, konzentrierter und zeichenhafter“ [1] als frühere Arbeiten. Schon in den 50er Jahren erfindet sie ihre malerische Praxis völlig neu, als sie in einem Frustrationsmoment in ihrem Atelier sämtliche Zeichnungen an der Wand und auf dem Boden zerreißt. Einige Tage später betritt sie den Raum wieder, findet die überall verstreuten Schnipsel als Bild interessant und beginnt sie neu zu collagieren, zusammen mit anderen Bildresten auch auf ihren Leinwänden. Anklänge an die so entstehenden spontanen, dynamischen Formen finden sich zwanzig Jahre später in Bildern wie Peacock wieder, nun aber als in Öl gemalte Bildkomposition. Direkt nach dieser Serie wird sie sich ihren frühen Zeichnungen widmen, die in den drei Jahren Unterricht bei Hans Hofmann ab 1937 entstanden und diese wiederum zu neuen Collagen verarbeiten.

„Ich bin nie frei von der Vergangenheit, ich glaube an Kontinuität. Für mich ist es glasklar, dass die Vergangenheit Teil der Gegenwart ist, die wiederum Teil der Zukunft ist“, bemerkt sie 1979, stets darauf bedacht, ihre Arbeiten immer neu zu befragen, Entdeckerin und Erforscherin des eigenen Ichs und der Malerei zu bleiben. [2]
„Die Malerei ist nicht vom Leben getrennt. Sie sind eins. Es ist wie die Frage ‚Will ich leben?‘. Meine Antwort ist: ‚Ja – und ich male.‘“ [3]

Im Entstehungsjahr von Peacock sagt sie in einem Fernsehinterview, ihre mangelnde Anerkennung als Künstlerin beruhe auf den Tatsachen, dass sie eine aufstrebende weibliche Künstlerin in den 50er Jahren war, und dass sie jüdisch ist. Bis Ende der 70er Jahre wird sie hauptsächlich von jüdischen Frauen der New Yorker Kunstszene wie der Kritikerin und Kuratorin Barbara Rose oder Marcia Tucker unterstützt und ausgestellt. Kurz vor ihrem Tod rückblickend endlich auch als Pionierin des Abstrakten Expressionismus anerkannt und gefeiert, entzieht sich ihr Werk in seiner Gesamtheit eindeutigen kunsthistorischen Kategorisierungen. In einer Zeit, in der gesamtgesellschaftlich ebenso wie im Kunstdiskurs Frauen keine Autonomie zugestanden wurde, ist Lee Krasners künstlerische Eigenständigkeit bis heute radikal.

Literaturverweise

[1] Zit. n. Ellen G. Landau, Lee Krasner: A Catalogue Raisonné, New York, 1995, S. 270.
[2] „I am never free of the past, I believe in continuity. I have made it crystal clear that the past is part of the present which becomes part of the future.“ Lee Krasner 1979, zit. nach Eleanor Munro, Originals: American Women Artists, New York, 1979, S. 119.
[3] Lee Krasner: School Arts, 1960.