Beim Prozess der sogenannten Pliage (dt. Faltung) begann Simon Hantaï mit dem Knüpfen und Falten des unbehandelten Leinwandstoffes zu fast skulpturalen Formen. Auf diese zerknitterten Gewebe setzte er große Farbflächen. Erst beim Entfalten und Glätten der Leinwand enthüllte Hantaï sich selbst und den Betrachtenden das fertige Gemälde: der Zufall hielt Einzug in den Werkprozess. In der Serie der Tabulas (1973-1982) organisierte er das Falten der Leinwand nach einem gleichmäßigen Raster, indem er die Quadrate an den Kreuzungen verknotete und die Leinwand einfarbig bemalte.

Simon Hantaï (1922–2008)

Tabula, 1980

Aktuell Ausgestellt: Ja (Raum: From Zero to Action)

Material: Acryl auf Leinwand
Größe: 230 x 416 cm
Inv-Nr.: B_432
Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn

Schlagworte:

Provenienz

Vorbesitz: Galerie Jean Fournier, Paris; unbekannt, 2010
Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, Artcurial, Paris, 2018

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Der ungarische Maler Simon Hantaï zog 1948 nach Paris. Zunächst Mitglied im Kreis der Surrealisten fand er ab den 1960er Jahren durch verschiedene technische Experimente mit Schablonen, Collage, Grattage und Frottage zu seiner eigenen künstlerischen Sprache. Im Zentrum seiner Malerei sollte fortan das Falten des Bildträgers stehen.

In der Methode des Faltens fand er eine Antwort auf seine Fragen: „Wie kann man das Außergewöhnliche banalisieren? Wie kann man außergewöhnlich banal werden? Das Falten war eine Möglichkeit, dieses Problem zu lösen. Die Faltung war nicht aus dem Nichts entstanden. Man musste sich nur in den Zustand derer versetzen, die noch nichts gesehen haben, sich in die Leinwand hineinversetzen. Man konnte die gefaltete Leinwand füllen, ohne zu wissen, wo der Rand war. Man weiß nicht mehr, wo es aufhört. Man konnte sogar noch weiter gehen und mit geschlossenen Augen malen.“ [1]

Beim Prozess der sogenannten Pliage (dt. Faltung) begann der Künstler statt mit einer grundierten aufgespannten Leinwand zu arbeiten, mit dem Knüpfen und Falten des unbehandelten Stoffes zu fast skulpturalen Formen. Auf diese zerknitterten Gewebe setzte er große Farbflächen. Dadurch wurden sie zu einer unberechenbaren Grundlage für seine Gemälde, da die im Malprozess nicht sichtbaren Teile unbemalt blieben und nach Ausbreiten des Gewebes mit der bemalten Oberfläche in Wechselwirkung treten. Der Zufall erhielt Einzug in den Werkprozess. Erst beim Entfalten und Glätten der Leinwand enthüllte Hantaï sich selbst und den Betrachtenden das fertige Gemälde.

In der Serie der Tabulas (1973-1982) organisierte er das Falten der Leinwand nach einem gleichmäßigen Raster, indem er die Quadrate an den Kreuzungen verknotete und die Leinwand einfarbig bemalte. Die Quadrate sitzen im unbemalten Raster der Leinwand. Im Jahr der Entstehung von Tabula aus der Sammlung Reinhard Ernst bespielte Hantaï mit einer Reihe von Werken aus der gleichnamigen Serie den französischen Pavillon auf der 40. Biennale von Venedig.

Literaturverweise

[1] „La peinture existe parce que j’ai besoin de peindre. Mais cela ne peut suffire. Il ya une interrogation sur le geste qui s’impose. Le problème était: comment vaincre le privilège du talent, de l’art, etc.? Comment banaliser l’exceptionnel? Comment devenir exceptionnellement banal? Le pliage était une manière de résoudre ce problème. Le pliage ne procédait de rien. Il fallait simplement se mettre dans l’état de ceux qui n’ont encore rien vu, se mettre dans la toile. On pouvait remplir la toile pliée sans savoir oú était le bord. On ne sait plus alors où cela s‘ arrête. On pouvait meme aller plus loin et peindre les yeux fermés.“
Aus: Geneviève Bonnefoi, Hantaï, Beaulieu-en-Rouergue, Éditions de l’association culturelle de l’abbaye de Beaulieu-en-Rouergue, 1973, S. 23