Als Josef Albers 1950 während der Summer School in Harvard sein erstes Gemälde aus der Serie Homage to the Square malte, ist er bereits 62 Jahre alt. Bis zu seinem Tod sollten mehr als 2000 Variationen des grundlegenden Kompositionsschemas folgen. Alle Bilder bestehen aus drei oder maximal vier zentral angeordneten Quadraten, die er aus der Mitte heraus malt. Auf der Rückseite der Tafeln und in einem Notizbuch hielt er akribisch die Materialien und Vorgehensweise fest, um eine wissenschaftliche Basis für seine Experimente zu schaffen und letztlich eine Erklärung zu finden, warum die Wirkung der Farbe von ihrem Kontext und den Nachbarschaften der Farbtöne abhängt.
Josef Albers (1888–1976)
Study to Homage to the Square: Full Evening, 1956
Aktuell Ausgestellt: Ja (Raum: Zuhause in der Malerei)
Material: Öl auf Masonit
Größe: 45,8 x 45,8 cm
Inv-Nr.: B_146
Bildrechte: VG Bild-Kunst, Bonn
Schlagworte:
Vorbesitz: Sidney Janis Gallery, New York
Ankauf: Sammlung Reinhard Ernst, Christie’s, London, 2010
Als Josef Albers 1950 während der Summer School in Harvard sein erstes Gemälde aus der Serie Homage to the Square malte, ist er bereits 62 Jahre alt. In den folgenden 26 Jahren bis zu seinem Tod sollten mehr als 2000 Variationen des grundlegenden Kompositionsschemas von drei oder maximal vier Quadraten, die ineinander gesetzt sind, folgen. In einem Interview aus dem Jahr 1966 hält Albers fest: „Was ich mache, ist keine ‚Huldigung an das Quadrat‘. Es ist nur der Teller, auf dem ich meine Verrücktheit nach Farbe serviere.“ [1] Diese Verrücktheit treibt ihn zu einer Malerei an, mit der er Wirkung von den Wechselbeziehungen der Farbe erforscht. Die Wurzeln der Farbtheorie gehen auf Goethes Traktat Zur Farbenlehre (1810) und die Schriften von Chevreul (1839) zurück, worin bereits erste optische Phänomene wie Simultankontrast, Nachbilder und optische Mischungen von Farben im Auge erstmals benannt wurden. Auch bei Albers geht es um eine Untersuchung dessen, was der Verstand bei der Betrachtung von Malerei wahrnimmt und nicht allein dessen, was das Auge sieht. 1969 erklärte er: „Ich lehrte keine Kunst an sich, sondern Philosophie und Psychologie der Kunst (…). Wenn mich ein Schüler fragte, was ich lehren würde, sagte ich ‚Augen zu öffnen‘. Und das ist das Motto meiner ganzen Lehre geworden.“ [2]
Der Malprozess verlief immer gleich: Alle Bilder bestehen aus vier zentral angeordneten Quadraten, die er aus der Mitte heraus malt. Auf der Rückseite der Tafeln und in einem Notizbuch hielt er akribisch die Materialien und Vorgehensweise fest, um eine wissenschaftliche Basis für seine Experimente zu schaffen und letztlich eine Erklärung zu finden, warum die Wirkung der Farbe von ihrem Kontext und den Nachbarschaften der Farbtöne abhängt: „Dasselbe Grau ist hier violett, hier bläulich und hier grünlich. Finden Sie nicht, dass das wundervoll ist? Das ist nicht Kunst – nein, es ist nicht Kunst, es hat mich Kunst nichts zu tun. Es ist nur eine Demonstration, wie die Farbe mich hereinlegen, mich täuschen kann, und daraus mache ich ein neues Erlebnis, von dem ich meiner Großmutter erzählen kann: Solche Dinge habe ich noch nie zuvor gesehen.“ [3]
Mit seiner Lehrtätigkeit am Bauhaus in Weimar und Dessau, am Black Mountain College und in Harvard und Yale sollte er Generationen von Künstler:innen prägen. Seine Erkenntnisse zu den Wechselbeziehungen der Farbe veröffentlichte er 1963 in seinem Buch „Interaction of Color“.
[1] Zit. nach: Neil Welliver: „Albers on Albers“, in: Art News, 64, Nr. 9, Januar 1966, S. 69
[2] Josef Albers, 1996, zit. nach Tanja Pirsig-Marshall: „Das stimulierte Auge. Josef Albers und die amerikanische Op Art“, in: Bauhaus und Amerika: Experimente in Licht und Bewegung, hrsg. von Hermann Arnhold, LWL-Museum für Kunst und Kultur, Bielefeld: Kerber, 2018, S. 52–63, hier S. 57.
[3] Aus einem Interview mit Josef Albers, durchgeführt und aufgezeichnet von Irving Finkelstein im Rahmen seiner Doktorarbeit „The life and art of J. A.“ (1965), Band 1, Seite B, Stück 1. Zit. n. Charles Darwent: Joseph Albers, Leben und Werk, dt. Erstausgabe, Bern [2020], S. 53.